Anfang November wurde der Strategiepreis der Wartburgregion 2017 im Feng Shui Tagungszentrum in Eisenach verliehen. Die Analyse der Preisträger zeigt: Der Strategieprozess funktioniert ganz unabhängig von der Branche nach demselben Prinzip. Die Entwicklung in Richtung Strategie-Erfolg durchläuft immer die gleichen Phasen. Dies gilt auch für die Preisträger Abel Metallsysteme GmbH & Co. KG aus Geisa und HKW-Elektronik GmbH aus Wutha- Farnroda. – Von Thomas Rupp.
Kategorie Zielgruppenspezialisierung:
Vom Lohnfertiger zum Zielgruppenentwickler.
Metallverarbeitung ist das Kerngeschäft der Abel Metallsysteme GmbH & Co. KG aus Geisa. Kernkompetenz allein hilft hier nicht weiter, denn Metallverarbeitung ist ein weites Feld mit unzähligen Anwendungen. Zum Zeitpunkt der Firmengründung – im Jahr 1995 – war das Unternehmen Zulieferer für die Fahrzeug- und die Möbelindustrie. Damals herrschte in diesen Branchen eine Nachfrage an Stanz-und Biegeteilen.
Ende der 1990er-Jahre fokussierte man sich dann auf einzelne Metallteile für die Herstellung von Geländer-Anlagen: Ronden, Ankerplatten, Universalhalter u.a. Dieses Geschäft lief einige Jahre recht gut. Man könnte also sagen, am Anfang stand die Spezialisierung auf eine Tätigkeit für verschiedene Kundengruppen, ohne herausragende Leistungsspitze. Letztlich war man Zulieferer und natürlich ersetzbar, denn Metallverarbeitung können auch andere.
Die Konsequenz dieser Situation ist immer dieselbe: Sobald es jemand billiger macht, ist man draußen. Und genau dies geschah dann auch Anfang der 2000er-Jahre als der deutsche und europäische Markt mit gleicher aber erheblich billigerer Ware aus China und Indien überflutet wurde.
Die Konsequenz ist immer dieselbe: Sobald es jemand billiger macht, ist man draußen.
Wie reagiert man auf so eine Situation, wenn von heute auf morgen die Aufträge wegbrechen … wenn man einfach nicht mehr gefragt ist … wenn andere dasselbe bieten nur viel billiger? Die Lösung kann nur in der Verbesserung des eigenen Angebots liegen: mehr eigenes Profil, mehr Problemlösung, mehr Nutzen. Und damit raus aus der Austauschbarkeitsfalle.
„Aus diesem Grund erfolgte vor ca. 15 Jahren ein Umdenken vom einzelnen Stanzteil hin zu komplexen und geprüften Geländerlösungen“, schreibt Geschäftsführer Klaus Peter Abel in seiner Bewerbung zum Strategiepreis. Das Unternehmen hat dann das gemacht, was viel zu selten geschieht: Es wurde untersucht, wo es im Markt Lücken gibt, die mit den Stärken des Unternehmens korrespondieren.
So entsand mit der „Glasabsturzsicherung VITRUM“ ein planungssicheres System für den Einsatz vor bodentiefen Fenstern bzw. Fenstern mit niedriger Brüstungshöhe. Diese Problemlösung wurde patentiert und auf den Markt gebracht. Die Ausgangslage hatte sich plötzlich komplett verändert. Was war geschehen?
Aus dem Zulieferer der einzelne Stanzteile in Lohnfertigung lieferte, wurde ein Systemanbieter mit einer kompletten Problemlösung. Das ist eine klare Konzentration des Angebots in Richtung Produktspezialisierung. Diese Lösung – um es einmal deutlich zu sagen – konnte nicht einfach billiger aus Fernost bezogen werden.
Der Auslöser dieser Entwicklung war – wie so oft – eine existenzielle Krise.
Und das Beispiel zeigt, wie schwer es ist, sich aus dem Tagesgeschäft heraus weiter zu entwickeln: Routine dient der Minimierung von Fehlern und der Maximierung von Effizienz. Alles muss „flutschen“. Für die strategische Entwicklung braucht es hingegen Perspektivwechsel, Kreativität und es gilt das Prinzip: Trial & Error.
Als Vordenker meiner Zielgruppe werde, ich zum unentbehrlichen Problemlöser.
Solange die Lohnfertigung brummte, war immer etwas abzuarbeiten. Als man dann aus dem Markt katapultiert wurde, herrschte plötzlich Krisenstimmung und es gab jede Menge Zeit. Jetzt begann man notgedrungen, außerhalb der mentalen Leitplanken zu denken. Man musste es tun.
Dieser kreative Raum wurde inzwischen systematisiert und ausgebaut. „Von enormer Bedeutung“, so Klaus Peter Abel, „war die Schaffung einer FuE-Arbeitsstelle, die ich mit einem Projektingenieur seit einigen Jahren inne halte.“
Dies war Ausgangspunkt und Voraussetzug für einen weiteren Anpassungs- und Verbesserungsprozess des neu entwickelten Systems … und zwar nach den Wünschen der Kunden. Wenn wir von Nutzen oder Problemlösung sprechen, stellt sich eigentlich immer gleich die nächste Frage: Nutzen für wen? Und da sind wir schon bei der Zielgruppe. Wie soll ich denn mein Produkt verbessern, wenn ich nicht weiß, für wen das eine Verbesserung sein soll.
Die neue Zielgruppe der Abel Metallsysteme GmbH waren und sind bis heute Fensterbauer, Glaser und Montagebaubetriebe bis hin zu Fertighausherstellern. Intuitiv konzentrierte man sich auf eine vorgelagerte Zielgruppe, die als Multiplikator diente.
„Mit Einführung des Produktes VITRUM rückte die Architektenberatung für uns stark in den Fokus“, erläutert Klaus Peter Abel. „Unsere Taktik, bereits in der Planungsphase mit Architekten zusammen zu arbeiten, um eine ideale Art der Befestigung unserer Systeme an gedämmten Baukörpern zu gewährleisten, löst die Probleme der Zielgruppe seit Einführung der EnEV 2014.“
Natürlich muss man spätestens hier konstatieren, dass der Unternehmer und das Unternehmen ganz offensichtlich über einen ausgeprägten Erfindergeist verfügen, dessen Potenziale bisher – als „verlängerte Werkbank“ anderer Systemanbieter – nicht aktiviert werden konnten. Inzwischen war man für die Architekten zu einem Partner auf Augenhöhe herangewachsen.
Wenn ich also mein Produkt laufend verbessere und zum Vordenker meiner Zielgruppe werde, dann bin ich nicht mehr austauschbar. Ein wesentliches Element dieser Entwicklung: In seinem Marktsegment entwickelt man sich immer mehr in die Tiefe der Zusammenhänge. So musste sich Klaus Peter Abel und sein Team mehr und mehr mit dem Kundennutzung und der Problemstellung des Kunden, also dem Verarbeiter, dem Fenster- bzw. Montagebauer auseinander setzen.
Plötzlich werden dann – im Dialog mit der Zielgruppe – eine Menge weitere Probleme sichtbar, die man für die Zielgruppe lösen kann. Dies erkennt man nur, weil man sich mit den Problemen seiner Zielgruppe beschäftigt und zwar intensiver als die meisten anderen Anbieter am Markt.
In diesem Kontext entwickelte Klaus Peter Abel weitere innovative Produkte und Erfindungen im Segment Geländersysteme und brachte diese zur Patentreife. Diese Entwicklung – vom Lohnfertiger zum Zielgruppenentwickler – wurde mit dem Strategiepreis der Wartburgregion 2017 für die beste Zielgruppenspezialisierung belohnt.
ie neue Zielgruppe der Abel Metallsysteme GmbH waren und sind bis
Kategorie Innovation:
Vom Zulieferer zum kreativen Innovator in einem brisanten Problemfeld
Der Preisträger in der Kategorie Innovation ist die HKW –Elektronik GmbH aus Wutha-Farnroda. Das Unternehmen wurde 1990 gegründet und kommt aus dem Bereich Mikroelektronik. Der Start verlief ausgesprochen gut, denn man hatte sich auf die Produktion und den Verkauf von Empfangs-Chips für Funkuhren spezialisiert. Hier wurden jährlich mehrere Millionen Chips umgesetzt. Das Unternehmen hatte weltweit alle Funkuhrherstellern als Kunden und war Marktführer.
„Als Mitte/Ende der 1990er-Jahre ausländische Hersteller unser Produkt kopiert hatten“, so Geschäftsführer Martin Eibl, „und mit niedrigen Preisen auf den Markt drängten, mussten wir neue Entscheidungen zur strategischen Ausrichtung unseres Unternehmens für die Erhaltung der Marktposition treffen.“
Wie angekündigt, gibt es hier eine ganz klare Parallele zum Fall Abel: Man war hochspezialisierter Zulieferer Zulieferer von Teilen ohne Zielgruppenbesitz. So ging auch die HKW letztlich in die Austauschbarkeitsfalle. Der Wettbewerber bzw. Nachahmer mit dem günstigsten Preis konnte das Unternehmen zu Fall bringen, da es eine reine Produktspezialisierung war. Also: Ein „weiter so“ ging nicht mehr. Was tun?
Man war hochspezialisierter Zulieferer von Teilen ohne Zielgruppenbesitz.
Interessant auch hier die Erkenntnis, dass ein eher lösungsortientierter Ansatz, die Leistung wertvoller macht und Alleinstellungsmerkmale schaffen kann. Davon abgeleitet gab es eine Konzentration auf die eigenen Stärken und die Kooperation mit Entwicklungspartnern. So entstand ein Feuerwerk an neuen Entwicklungen. Die eigenen hochgradige Innovationsfähigkeit wurde – quasi erst durch die Krise – entfesselt.
Zunächst entschied man sich, die Nutzung der Funktechnik im Langwellenbereich weiterhin zu intensivieren. Die Signale für die Funkuhren kommen von einem Langwellensender in der Nähe von Frankfurt. Dieser sendet Zeitzeichen im Sekundentakt über rund 2.000 km hinweg. Innovationsansatz: Könnte man diesen Sender auch anderweitig nutzen, um eine Problemlösung zu schaffen?
Aus diesem Ansatz heraus entstand ein Entwicklungsprojekt im Auftrag des Bundesministeriums des Innern. HKW entwickelte eine Lösung, um über diesen Langwellensender zusätzlich Alarmierungen auszulösen. Dieses Projekt zur Bevölkerungswarnung vor Katastrophen wurde Ende 2003 durch einen Feldversuch in Kooperation mit Katastrophenschutzorganisationen erfolgreich abgeschlossen.
Aus dem reinen Zulieferer von Empfangs-Chips war ein hochinnovativer Projektentwickler geworden. Um im Projekt des Bundes zu reüssieren, wurden diverse neue Mikroelektronik- Chips entwickelt. Diese hatten verbesserte Empfangseigenschaften und konnten nun auch größere Datenmengen durch Langwellen übertragen. Also nahm man dies als Ausgangspunkt, um über weitere problemlösungsorientierte Anwendungen nachzudenken.
Das nächste Projekt: Gemeinsam mit dem Schweizer Langwellensender wurde das Projekt „Meteotime“ gestartet. Seit Ende 2006 werden die Wetterdaten eines Wetterdienstes in Echtzeit über die Langwelle auf verschiedene Empfangsgeräte übertragen. Diese Technologie wird aktiv für Consumer vermarktet.
Ganz offensichtlich gelang es dem Unternehmen spannende Entwicklungsprojekte „an Land zu ziehen“. Wo aber war ein Roter Faden zu erkennen?
Geschäftsführer Martin Eibl und sein Team suchten weiter nach praxisrelevanten Anwendungsgebieten für die Langewellentechnik. In diesem Teilgebiet der Mikrotechnologie waren sie inzwischen – nicht zuletzt aufgrund der erfolgreichen Renommierprojekte – ganz vorne bei der Entwicklung dabei.
Das Unternehmen hatte gelernt, sich in der Entwicklung ihrer Hard- und Softwarelösungen stark an den konkreten Erfordernissen der praktischen Anwendung zu orientieren. Sprich am tatsächlichen praktischen Nutzen des späteren Anwenders.
Was „richtig“ und „falsch“ ist, entscheidet immer das Feedback der Umwelt.
Bekanntermaßen handelt es sich bei der strategischen Entwicklung um keine exakte Wissenschaft. Es ist nicht wie bei einer Bilanz, unter der ein Saldo steht, der verprobt werden kann. Nein, strategische Entwicklung bedeutet Trial & Error. Was „richtig“ und „falsch“ ist, entscheidet immer das Feedback der Umwelt, optimalerweise das der klar definierten Zielgruppe.
Im Rahmen einer solchen „organischen“ Entwicklung fand bei der HKW eine schrittweise Konzentration statt. Heute ist man in einem brisanten Problemfeld mit hohem Wachstumspotenzial angekommen: im Bereich der Energietechnik. Und hier entwickelt man sich in die „Tiefe der Zusammenhänge“ …
Hier kurz die Chronologie:
- Zusammenarbeit mit Unternehmen in der Energieversorgung. Nutzung der Langwelle für die Schaltung von Energieanlagen (Windkraftanlagen, Straßenbeleuchtung).
- Weiterentwicklung der Übertragung von Wetterdaten für die professionelle Wetterprognose. Nutzung von Wetterdaten zur energetischen Steuerung von Gebäuden.
- Nutzung der Langwelle in Verbindung mit anderen Wegen der Datenübertragung für die Heizungssteuerung in Gebäuden. Hier werden Wetterdaten für die Einsparung von Energie durch eine Vorhersage der Temperaturentwicklung genutzt.
- Einsatz der Funktechnik und einer weiterentwickelten Hard- und Software für ein professionelles Energiemanagement in Kooperation mit Energieversorgern. Die HKW wird damit zum Dienstleister für die Energieversorgung.
- Die neu entwickelten Hard- und Softwarekomponenten kommen für die Weiterentwicklung der Elektromobilität in Thüringen zum Einsatz. Die HKW bietet damit Produkte und Dienstleistungen für Elektro-Ladestationen für Stadtwerke und andere Energieversorger an.
- Und last but not least: Nutzung der neu entwickelten Hard- und Softwareentwicklungen als Beitrag zur Umsetzung der Energiewende für intelligente Messsysteme.
Der Rote Faden kam also immer klarer zum Vorschein. Der Konzentrationsprozess ist sicherlich noch nicht abgeschlossen. Denn Strategie-Entwicklung ist ein fortwährender Anpassungsprozess. Die eigenen Stärken und Kräfte konnten immer besser fokussiert werden. Die Alleinstellung wächst, ebenso die Bekanntheit in der Branche, der Nutzen und damit die Sogwirkung.
Eine preiswürdige Leistung: dafür gab es den Strategiepreis der Wartburgregion 2017 für die beste Innovationsstrategie.
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