Nein, nicht was Sie jetzt denken mögen… Aber der Reihe nach.
So sehr sich Verkaufen 2.0 von Vertriebskonzepten alter Schule auch unterscheidet, es gibt auch die eine oder andere Übereinstimmung. Was kaum verwunderlich ist.

Eine solche Übereinstimmung, nennen wir sie vielleicht besser Verwandtschaft, ist naheliegend und verständlich. Denn wie wir alle wissen, wird der Mensch – ob nun Verkäufer, Sozialpädagoge oder Kneipenwirt – nicht ausschließlich von seinem Verstand geleitet.

Zu einem erheblichen Teil ist unser Handeln und Denken von Emotionen bestimmt, die wiederum ganz maßgeblich unseren Charakter prägen. Wir sind halt durch und durch fühlende, oft also vom Bauch inspirierte Individuen.

Wir alle wissen: Sobald man erfolgreich ist, steht man letztlich – im übertragenen Sinn – recht nah am Abgrund. Denn Erfolg bedeutet auch die unmittelbare und gefährliche Nähe zur Gewohnheit, zur Routine und im schlimmsten Fall zur Überheblichkeit. Jeder von uns weiß das aus eigener Erfahrung.

Eine durch und durch fatale Entwicklung. Denn der Erfolgreiche hat das Gefühl, er könne einfach nichts falsch machen. Alles gehe ihm wie von selbst von der Hand. Alles funktioniere blendend. Nahezu jedes Projekt ende grandios. Ein zweifellos wunderbares Gefühl, das man unbedingt – auch dies ist nur allzu menschlich – genießen und begießen muss.

Demut und Bescheidenheit sind in solchen Fällen viel eher nötig. Denn beide braucht der Verkäufer 2.0 für den stetigen Erfolg so nötig wie wir alle die Luft zum Atmen. Die Älteren unter uns erinnern sich sicher noch an den legendären Skistar Franz Klammer. Der sagte einmal, aus dem Österreichischen übersetzt ins Deutsche: Wenn’s läuft, dann läuft’s. So lapidar war Klammers Antwort auf eine Journalistenfrage nach einer unglaublichen und ununterbrochenen Siegesserie. Was man nur bei genauem Hinschauen und Hinhören erkennt: Klammers fast unheimliche Serie brauchte ungeheuer viel Arbeit und enorme Akribie.

Und dieser Ausnahmesportler wusste: Der Weg des geringsten Widerstands ist nur auf den ersten Metern asphaltiert.

Ein weiteres Beispiel ist Tiger Woods.

Zweifellos kein leuchtendes Vorbild für familiäre Idylle, doch in sportlicher Hinsicht einsame Spitze. Insbesondere was Trainingsdisziplin und mentale Stärke angeht. Nachdem der Ausnahmegolfer wieder einmal ein Turnier überlegen gewonnen hatte, wurde er dabei beobachtet, wie er die Siegerehrung und den anschließenden Schampus-Empfang frühzeitig verließ. Er griff sein Golfbag, begab sich nochmals auf den Platz und übte dort immer und immer wieder den gleichen Abschlag. Erst bei Einbruch der Dunkelheit kehrte er ins Clubhaus zurück.

Im anschließenden Journalistengespräch erläuterte Woods, was er vorher getan hatte. Seine Verbissenheit, ja seine Versessenheit. Sinngemäß: Er habe während der letzten Runde bei besagtem Loch kein gutes Gefühl am Abschlag gehabt. Deshalb wollte er verhindern, im nächsten Jahr mit gerade diesem Gedanken zurückzukehren. Durch das Üben bis in die Abenddämmerung hinein habe er das anfangs negative schließlich in ein positives Gefühl drehen können. Und im Übrigen: Schampus trinken könne man auch bei Dunkelheit…

Zwei Beispiele von vielen, die für Spitzensportler symptomatisch sind.

Vor allem wunderbare Lehrstücke für den Verkäufer 2.0. Denn gerade ihn zeichnet nicht Überheblichkeit, sondern Nachdenklichkeit nach einem erfolgreichen Abschluss aus. Er überlegt, was gut gelaufen ist. Vor allem aber, was er noch verbessern kann beim nächsten Mal. Deshalb macht der Verkäufer 2.0 nach ausnahmslos jedem Kundengespräch ganz automatisch einen Selbstcheck. Und analysiert kritisch, ohne Selbstbetrug und Schönfärberei die Schwachpunkte. Auf dieser Grundlage entwickelt er Lösungen, wie aus Schwächen Stärken werden können.

So schön und beneidenswert der Erfolg beim Verkaufen auch sein mag – er ist nur schnöder Tand, falls er ein- oder zweimalig bleibt. Sofern sich nicht Erfolg an Erfolg reiht, fehlt langfristig die Basis für ein erfolgreiches (!!!) Geschäftsmodell. Und so wichtig feiern nach einem Abschluss auch sein mag, viel besser schmeckt der Schampus in der Gewissheit, den Grundstein für die nächsten drei, vier oder noch mehr Abschlüsse gelegt zu haben.

Denn bekanntlich ist nichts so alt wie die Zeitung von gestern.